»Wir sind unter euch« – Über die Gesellschaft für Legalisierung

von Katharina Hamann

Im Herbst dieses Jahres haben sich unterschiedliche Flüchtlings- und MigrantInnengruppen sowie antirassistische und feministische Gruppen zur /Gesellschaft für Legalisierung/ zusammengeschlossen. Zu den Gruppen gehören unter anderem Kanak Attak, der Polnische Sozialrat e.V., die Medizinische Flüchtlingshilfe, das RESPECT-Netzwerk und Mujeres sin Rostro (Frauen ohne Gesicht).

Ende Oktober wurde die bundesweite Offensive »Wir sind unter euch« für ein Recht auf Legalisierung von der Gesellschaft gestartet. Im Mittelpunkt stehen die Forderungen und Rechte von illegalisierten MigrantInnen. Den OrganisatorInnen ist es wichtig, nicht nur auf rassistische staatliche Repression zu reagieren, sondern die alltägliche Realität von MigrantInnen und die Bedeutung von Illegalisierungsprozessen ins Zentrum der Politik zu stellen.

Kanak Attak meint zu dieser Schwerpunktverschiebung: »Das Asylrecht hat seine zentrale Bedeutung für Migrationsprozesse längst verloren. Prozesse der Illegalisierung sind an seine Stelle getreten. Der subjektive Faktor der Migration, die Organisierung des alltäglichen (Über-)Lebens von MigrantInnen, muss Ausgangspunkt einer antirassistischen Politik werden, die nicht mehr darauf beschränkt wäre, arbeitsteilig auf Gesetzesverschärfungen zu reagieren.«(1)

Dossier #9: Prekäre Arbeit und Migration

  1. Prekäre Arbeit und Migration
  2. Lebens- und Arbeitsverhältnisse von MigrantInnen in Deutschland
    (Silke Veth und Florian Weis )
  3. Partner in der Arbeitswelt
    (Klemens Büsch)
  4. »Wir sind unter euch«
    (Katharina Hamann)
  5. Rechtlos auf Arbeit?
    (Norbert Cyrus)
  6. »Einen Monat hab ich gearbeitet und keinen Lohn erhalten.«
    (Gerda Heck)
  7. Jeder Mensch ist ein Experte!
    (Daniela Schmohl)
  8. HANDS ON WORK
    (Edith Kleinkathöfer, Woge e.V.)
  9. Links

In dem Manifest der Offensive heißt es: »Es geht nicht um Integration, nicht um gute und schlechte Ausländer, die sich ihre Chancen verdienen oder sie verlieren – es geht um kollektive Rechte.«(2) Damit wendet sich die Legalisierungskampagne gegen andere gut gemeinte Initiativen, die einen bevormundenden Blick auf MigrantInnen haben, und anderen Deutschen erklären, warum »Ausländer eine Bereicherung« darstellen.

(1) Manuela Bojadzijev, Serhat Karakayali, Vassilis Tsianos (Kanak Attak): Papers and Roses

Die Grundaussage der Gesellschaft für Legalisierung ist so banal, wie sie radikal ist: alle Menschen haben das Recht dort zu leben, wo sie wollen, mit allen Rechten. Die gesetzliche Realität in Deutschland ist eine andere. MigrantInnen werden vielfältig illegalisiert, beispielsweise können sie nach dem Ende des Studiums oder nach der Scheidung von einem deutschen Partner oder einer Partnerin, wenn noch keine unabhängige Aufenthaltsgenehmigung vorhanden ist, abgeschoben werden. Weiterhin zwingen die quasi geschlossenen Grenzen der Europäischen Union Menschen dazu, illegal einzureisen. Das heißt diese Menschen leben ohne (gültige) Papiere in Deutschland, aber an eben diese Papiere sind viele Rechte gekoppelt. An dem Widerspruch von deutschem Recht, das nicht für alle in Deutschland Lebende gilt, setzen die Mitglieder der Legalisierungsoffensive an, sie wollen »soziale und politische Rechte für MigrantInnen mit und ohne Papiere einfordern und Legalisierungsmöglichkeiten fördern.«(3) Missstände sollen nicht nur angeprangert werden, vielmehr wird versucht Auswege aufzuzeigen. Das kann damit beginnen, dass mit entscheidenden Personen verhandelt wird, solidarische KooperationspartnerInnen, z.B. Ärztinnen und Ärzte, gefunden werden, die bereit sind in einer rechtlichen Grauzone Illegalisierten zu helfen. Oder dass durch öffentlichkeitswirksame Aktionen auf die Unrechte von MigrantInnen aufmerksam gemacht wird.

Ein Bereich, in dem MigrantInnen besonders benachteiligt sind, ist der Arbeitsbereich. Nicht nur ist es MigrantInnen ohne Papiere kaum möglich eine Lohnarbeit zu finden, zusätzlich sind sie dabei häufig rechtlich nicht abgesichert. Was zur Folge hat, dass ArbeitgeberInnen Löhne nicht auszahlen oder Kosten bei Arbeitsunfällen nicht übernehmen, weil sie meinen, Illegalisierte würden sich ohnehin nicht wehren. Da Rechtlosigkeit im Arbeitsumfeld ein zentrales Thema für MigrantInnen ist, wurde zum Auftakt der Offensive Ende Oktober der ver.di-Kongress in Berlin ausgewählt, um dort die Notwendigkeit der Organisierung von Illegalisierten zu thematisieren. Innerhalb von ver.di hat sich eine eigene Gesellschaft für Legalisierung gebildet, um in der Gewerkschaft kontinuierlich zu arbeiten und den Forderungen Nachdruck zu verleihen.(4)

(4) Aus: ver.di – Gesellschaft für Legalisierung: Empfehlungen für den Bundeskongress in Berlin Oktober 2003

Sexistische (Arbeits-) Diskriminierung, bzw. genderspezifische Auswirkungen von Migration nehmen innerhalb der Kampagne einen wichtigen Stellenwert ein, in der Textsammlung des Internetauftritts der Legalisierungsoffensive finden sich Texte über Haus- und Sexarbeit von illegalisierten Frauen sowie über den momentan diskutierten Au-Pair Mädchenhandel. Ingrid Jungwirth vom Respect-Netzwerk spricht sich für einen feministischen Arbeitsbegriff aus, der Reproduktion, »die unsichtbare Arbeit von Frauen«, einbezieht und weist darauf hin, dass Migrantinnen durch die Übernahme von Reproduktionstätigkeiten »den einheimischen Frauen bis zu einem gewissen Grad die Emanzipation« ermöglichen.(5).

Die Anliegen der Gesellschaft werden auf unterschiedliche Weise verbreitet. Mit Hilfe von Texten, des Internetauftritts, selbst produzierter Musik, Filmen, Performances und direkten Aktionen sollen die Verhältnisse angegriffen werden, die das Leben in Deutschland rassistisch hierarchisieren.(6) Mit »rassistisch hierarchisierend« sind sowohl private Verhaltensweisen als auch Gesetze und Vorgehen von Institutionen gemeint; also jedes Verhalten, das gewollt oder ungewollt eine Dominanz gegenüber MigrantInnen herstellt.

(6) Aus dem Manifest

Die Gruppen in den einzelnen Städten arbeiten dezentral, so wird in einigen Städten lediglich eine Filmreihe organisiert, während z.B. in Hamburg gemeinsam mit dem Freien Sender Kombinat Radioaktionen geplant wurden. Das Symbol der Kampagne, von der sicherlich noch weiteres zu hören sein wird, ist die wohlbekannte, karierte Plastiktasche. JedeR, die/der sie trägt soll symbolisch mit dem Motto »Wir sind unter euch« in Verbindung gebracht werden.

Links der Gesellschaft für Legalisierung

  • Textsammlung
    Alle Texte, die innerhalb der »Recht auf Legalisierung« Offensive veröffentlicht wurden, u.a. auch die im Text erwähnten zu Gender und illegalisierter Migration.
  • Aktuelles
    Die aktuellen Aktionen ebenso wie bereits durchgeführte sind hier zu finden. Es können ebenfalls ein kurzer Filmbeitrag von Kanal B über die ver.di Aktion und diverse Pressereaktionen auf die Kampagne aufgerufen werden.
  • Organising by ver.di
    Eine Einschätzung der Aktion beim ver.di Kongress von respect und kanak attak berlin: Organising by ver.di? Wie die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft auf Prozesse der Illegalisierung reagiert.

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