Interview mit rossiPress Weimar

Das Projekt rossiPress ist ein Online-Magazin für Toleranz und Demokratie – von Jugendlichen für Jugendliche. Träger des Projektes ist die Europäische Jugendbegegnungs- und Jugendbildungsstätte Weimar (EJBW).

D-A-S-H: Wie ist Euer Projekt entstanden? Was & wen wollt ihr damit erreichen?

Nach einem Seminar für Schülerzeitungsredakteurinnen und -redakteure an der EJBW im Sommer 2001 zum Thema »Internet und Rechtsextremismus« stand fest: Dieses Thema ist viel komplexer und eröffnet viel mehr Möglichkeiten als erahnt… die Projektidee eines Webmagazins, das Jugendliche für ein Engagement gegen Rechts und für Zivilcourage motiviert war geboren.

Gemeinsam mit den Jugendlichen möchte rossipress.de eine Strategie des Umgangs mit anti-demokratischen Inhalten im Internet entwickeln, aber auch das Internet als Informationsplattform nutzen. rossipress.de informiert über rechte Seiten im Internet, analysiert aktuelle Ereignisse am rechten Rand, interviewt Aussteiger aus der Szene, beschreibt die lokale Situation vor Ort oder in verschiedenen Ländern Europas, recherchiert auf Demonstrationen der NPD oder stellt mögliche Aktionen gegen Rechts vor.

Dabei sollen vor allem jene Jugendlichen angesprochen und erreicht werden, die nicht bereits zu den Aktiven in diesem Themenfeld gehören. Das Webmagazin www.rossipress.de richtet sich natürlich auch an die Öffentlichkeit. Dabei will es bewusst keine Spezialseite von Profis für Profis sein – entsprechende Seiten sind im Internet an anderer Stelle zu finden – , sondern eine Plattform, die einen leichten Zugang zur Thematik für Jugendliche ermöglicht.

Mit welchen Medien arbeitet ihr?

rossiPress ist ein multimediales Projekt und macht sich praktisch alle vorhandenen Medien zu nutze. Der mediale Eckpfeiler ist das Content Management System (CMS). Das ist ein leicht anwendbares Programm, welches von jedem internetfähigen PC mit FTP-Programm zugänglich ist. Damit können Beiträge für www.rossipress.de vom Ort unabhängig auf die Webseite gestellt werden.

Die Möglichkeit, digitale Fotos zu machen, mit Bildbearbeitungsprogrammen Grafiken zu erstellen oder zu animieren, lockert die Textlastigkeit des Magazins auf und ist auf der technischen Ebene ein Lernziel des Gesamtprojektes. Aber auch Video- und Audiostreams sind auf der Webseite zu finden.

Die rossis können mittlerweile einen eigens produzierten rossiClip sowie ihren selbst komponierten rossiSong vorweisen. Damit nicht genug wird im Augenblick ein rossiTrailer produziert. Geplant sind außerdem rossiPrintausgaben zu besonderen Anlässen wie z. b. zum Projekttag P in Berlin im Juni 2005.

In Theater-, Foto-, Video- und Rhetorikworkshops u.ä. trainieren die rossis notwendige technische und persönliche Fertigkeiten um sich gegen rechtsextreme Verhaltensweisen mit Zivilcourage behaupten zu können. Durch die mehrmalige Teilnahme an internationalen Begegnungen der EJBW ist rossipress auch multikulturell.

Zur Projektarbeit von gehört auch die aktive Öffentlichkeitsarbeit. Die rossis präsentieren sich regelmäßig auf diversen Jugendveranstaltungen und Messen, wodurch bereits wichtige Kontakte zu Politikerinnen, Politikern sowie Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern geknüpft werden konnten.

Seit wann arbeitet ihr an rossipress.de?

rossiPress gibt es bereits seit Herbst 2001. Bis heute ist rossiPress kontinuierlich gewachsen. Einige Jugendliche sind von Anfang an dabei – andere sind gerade neu dazugekommen. rossiPress ist als langfristiges Projekt und ausbaufähiges Projekt angelegt. Als nächstes ist eine deutschlandweite und europaweite Vernetzung mit anderen Initiativen gegen Rechts geplant.

Wie viele Jugendliche arbeiten bei rossiPress mit? Wie sieht eure Arbeit konkret aus?

Derzeit gibt es in Thüringen, Sachsen und Berlin ca. 30 aktive rossis im Alter zwischen 14 und 21 Jahren, die in 7 verschiedenen selbstständig organisierten Redaktionsgruppen arbeiten. In den Teams findet sich ein breiter Mix von Jugendlichen: Jugendliche, die sich einfach irgendwo und irgendwie engagieren wollen, technisch interessierte Jugendliche, Jugendliche, die auf Grund eines »Anders-Seins« Erfahrungen mit rechten Übergriffen gemacht haben, Jugendliche, die sich politisch auseinandersetzen und beteiligen wollen, sowie Jugendliche, die einfach von den Möglichkeiten des Internets fasziniert sind.

In regelmäßigen Abständen – und dies variiert je nach Redaktionsteam von wöchentlichen bis zu monatlichen Treffs – treffen sich die beteiligten Jugendlichen in ihrem jeweiligen Heimatort, tragen die Ergebnisse ihrer Arbeit zusammen, diskutieren themenbezogene Fragestellungen und entscheiden, was davon in welcher Form ins Internet gestellt wird.

Etwa alle 6 Wochen treffen sich alle rossis zu Wochenendseminaren. Diese Treffen dienen der Auseinandersetzung mit einem selbst gewählten thematischen Input. Außerdem bieten die Seminare genug Zeit und Raum um größere mediale Vorhaben wie z.B. den rossiSong, oder den rossiClip zu realisieren. Sie bieten zudem die Gelegenheit andere rossis wiederzusehen und gemeinsam Spaß zu haben. Bei den Seminaren wird meist in 2-3 verschiedenen Interessensgruppen an einem Thema bzw. Vorhaben gearbeitet.

Werden die rossis bei ihrer Arbeit von einer pädagogischen Fachkraft betreut – und wenn ja, wie muss man sich das vorstellen?

Unterstützung erfährt die inhaltliche und technische Arbeit der rossiTeams durch Projektbetreuerinnen und -betreuer, die zusammen mit den Jugendlichen die nächsten Ziele und Schritte festlegen und die Lokalredaktionen in regelmäßigen Abständen zu gemeinsamen Wochenendveranstaltungen zusammen führen. Dort, wo weitere inhaltliche Fähigkeiten notwendig sind, werden diese durch externe Gäste als Gesprächspartnerinnen und ?partner beigesteuert.

Für die Endredaktion und um das Layout des Magazins durch Animationen, Fotos, Grafiken oder Videostreams visuell interessanter zu gestalten, hat sich zudem eine feste Person als technischer Support bewährt.

Während die Projektbetreuerinnen und ?betreuer über inhaltliches und technisches Know-how verfügen müssen, ist bei den Jugendlichen lediglich Interesse am Thema und der Arbeit mit Medien Vorraussetzung. Als hilfreich für den Arbeitsprozess hat sich die Entscheidung herausgestellt, in Weimar vor Ort eine feste betreute Jugendredaktion aufzubauen, die für die Endredaktion zuständig ist. Dadurch, dass es in einer Lokalredaktion eine feste Ansprechperson gibt, die den Arbeitsprozess kontinuierlich beratend begleitet, kann die Weimarer Redaktion Impulse und Anregungen für die Arbeitsweise in den anderen Lokalredaktionen geben und übernimmt somit Modellfunktion; sie stellt den anderen, von Jugendlichen geleiteten Redaktionen Arbeitsmaterialien, Beratung per E-Mail und Veranstaltungshinweise für die Berichterstattung zur Verfügung.

Welche Schwierigkeiten gab oder gibt es bei der Durchführung des Projektes?

Die Schwierigkeiten liegen neben den allgemeinen Problemen von selbstgesteuerten Jugendprojekten vor allem in den zur Verfügung stehenden Geld- und Zeitressourcen des Projektträgers. Unterstützend und motivierend wirkt die Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) und dem Programm Entimon. Im August 2005 wird die Entimon-Förderung auslaufen – die Weiterfinanzierung des Projektes ist bisher leider noch ungewiss.

Welche Tipps habt ihr für Projekte, die zu ähnlichen Themen arbeiten?

Im Verlauf des Projektes wurde deutlich, wie wichtig die regelmäßigen Zusammentreffen der gesamten Teams für die gemeinsame Arbeit und für die Identifikation mit dem Gesamtprojekt sind. Diese Treffen waren von Beginn an Konzeptbestandteil, allerdings wurden sie nicht – wie ursprünglich angenommen – im Verlauf des Projektes immer überflüssiger; im Gegenteil: je intensiver sich die Arbeit der Teams entwickelte, desto stärker wurde der Wunsch bei den Beteiligten, sich gemeinsam auszutauschen.

Wie ist die Einschätzung der Kinder und Jugendlichen das Projekt betreffend? Arbeiten die Redaktionen der verschiedenen Orte kontinuierlich?

Einige der rossis sind schon von Anfang an mit dabei, andere sind vor kurzem erst dazugestoßen. Das bestehende »Junior-/Seniorverhältnis« bewirkt eine fortwährende Projektdynamik und verhilft den neueren Jugendlichen dazu rossiPress schnell als »ihr« Projekt zu betrachten und sich kontinuierlich zu engagieren.

Je größer die einzelnen Redaktionsteams werden und je mehr sich die Zusammenarbeit mit anderen Initiativen intensiviert und sich die Ausstrahlung des Magazins somit vergrößert, desto stärker wird auch der Anspruch der Jugendlichen verwirklicht, andere Jugendliche über das Thema Rechtsextremismus zu informieren und aufzuklären und sie damit zu mehr Zivilcourage im realen Alltagsleben zu motivieren.

Wie ist das Projekt aus (medien-)pädagogischer Sicht zu bewerten?

rossiPress ist ein medienpädagogisches Projekt, weil es Jugendliche darin unterstützt, Medien – in diesem Falle das Internet – kritisch zu analysieren, zu beurteilen und zu nutzen.
Es ist auch ein politisches Projekt, weil es sich mit einem der wichtigsten politischen Themen der Gegenwart – dem aktuellen Rechtsextremismus – auseinander setzt. Es ist ein zivilgesellschaftliches Projekt, weil es primär vom Engagement der beteiligten Jugendlichen lebt. rossiPress ist ein mediales und kommunikatives Projekt, weil es das Internet als Informations-, Kommunikations- und Präsentationsplattform benutzt.

Die Projektelemente als Gesamtes qualifizieren die beteiligten Jugendlichen nicht nur zu einer kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen – gleichzeitig lernen sie den Umgang mit neuen Medien und das journalistische Arbeiten. Dabei entdecken die Jugendlichen oft Fähigkeiten und Interessen, die sie in ihrer persönlichen Berufsfindung weiterbringen. So haben sich bereits eine Reihe von rossis für Berufsausbildungen bzw. Studien in den Bereichen Journalismus, Politik und Informatik entschlossen.

Vielen Dank für das Interview!

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Dossier #14: Medien bestimmen unseren Alltag. Aber wann haben wir die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, worüber in den Medien berichtet wird und auf welche Art und Weise oder mit welchen Mitteln das geschieht? Die Antwort ist klar: selber machen!

  1. Aktive Medienarbeit gegen Ausgrenzung
  2. Aktive Medienarbeit
    (Günther Anfang)
  3. Politische Sozialisation Jugendlicher
    (Fred Schell)
  4. Ein eigenes Medienprojekt planen
    (Kathrin Demmler)
  5. Sozialpädagogisches Handeln gegen Rechts
    (Katharina Hamann)
  6. Interview mit rossiPress Weimar
  7. Spielfilmarbeit mit jugendlichen Strafgefangenen
    (Reinhard Nolle)
  8. Materialien