Neue Deutsche Battlehärte

Von Hannes Loh

Nazimetaphern und Rassismus im deutschen Rap

»Die Idee einer rechtsradikalen Unterwanderung der Hip-Hop-Szene ist eine lobenswerte, wenngleich auch nicht unumstrittene Idee weitsichtiger aktiver Kameraden« – so beginnt ein Debatteneintrag auf der neofaschistischen Internetseite »Nationales Forum«.

Auch in der nationalen Szene hat man inzwischen Wind bekommen von der neuen Metaphernkultur im Deutschrap. »HipHop wird schneller weiss als man denkt« titelt das Nazimagazin »Rock Nord« auf seiner Homepage. Vor allem die seit dem Erfolg von »Brothers Keepers« immer selbstbewusster vorgetragenen offen rassistischen Ressentiments vieler »Underground MCs« tragen dazu bei, Deutschrap als Jugendkultur loszulösen aus dem Kontext »schwarzer Kultur« und auch für Rechte interessant zu machen.

Längst schon ist unter deutschen HipHop-Youngsters üblich, das Wort »Nigger« zu benutzen. Die Rolemodels der deutschen Rapszene wie bspw. die Berliner Crew MOR machen es vor. Auch in anderen Städten etabliert sich nach und nach eine Diss-Kultur, die sich nicht zu schade ist, in ihren Attacken auf afrodeutsche MCs Worte wie »Niggerbonus« oder »primitiver Neger« zu benutzen. Da solche Reime in der Szene völlig relaxed als battlerap-immanenter Tabubruch gehandelt werden, überrascht es nicht, dass sich die neue deutsche Metaphernhärte auch in Auschwitz- und Hitlervergleichen manifestiert. Ronald Mac Donald, Rapper bei MOR, lockt »wack MCs« in »Gasduschen« und jagt »Kinder ins KZ«, ein Hannoveraner namens Denana behauptet auf einem Rap-Sampler mit dem Titel »Streitkraft«, »meine gang sind jungs mit ss-tattoo und trenchcoat«, auf einem Mixtape fordern Dresdener Rapper: »Skills en Masse, ab ins Gas«, und ein anderer Rapper betitelt sein aktuelles Battlerap-Tape mit »Mein Kampf«.

Von vielen als harmlose Ausnahmeentgleisung abgetan, werden solche Tendenzen im Deutschrap bei einer Weitung der Perspektive als Teil einer Erzählung über nationale Identität erkennbar. Die Ausgrenzung afrodeutscher Künstler und das Bemühen um eine genuin deutsche Version von HipHop sind keineswegs neue Phänomene. Der theoretische Diskurs über nationale Identität, über ein neues deutsches Selbstbewusstsein und über eine Abgrenzung von »den Amis«, fand seinen Anfang nicht in der HipHop-Szene selbst, sondern wurde von Aussenstehenden an die Szene herangetragen. Erst mit dem kommerziellen Erfolg von Deutschrap 1992/93, erst nach der Spaltung der Bewegung in »Neue Deutsche Reimkultur« und »Oriental HipHop«, gab es auch innerhalb der Szene Aktivisten, die diese deutschtümelnde Rhetorik übernahmen.

1991 stellte Michael Reinboth eine Compilation mit HipHop-Tracks unter dem Titel »Krauts with Attitude – German HipHop Vol. 1« zusammen. Im Booklet schreibt er: »Es ist Zeit, dem Selbstbewusstsein der Engländer oder Amerikaner irgendwas entgegenzusetzen. (…) Es war schwer genug, als Nicht-Amerikaner und Bleichgesicht im HipHop akzeptiert zu werden. Ich glaube, hier liegt die Schuld deutlich bei den grossen Plattenfirmen, die vorzugeben meinen, ohne einen Neger kein HipHop verkaufen zu können.« Was Reinboth hier in vermeintlich gutmeinender Absicht formuliert, spricht MC Denana aus Hannover im Jahr 2001 unverblümt aus: »zu viele bitches scheffeln geld und fame mit niggerbonus«.

Die Tatsache, dass heute ein afrodeutsches Projekt wie »Brothers Keepers« mit offensiven, antirassistischen Inhalten erfolgreich ist, gleichzeitig aber von Rappern ins Visier genommen wird, die diesen kommerziellen Erfolg unter anderem mit rassistischen Battlereimen attackieren, bringt die bisherigen Bezugssysteme durcheinander. Plötzlich bringt ein Rapper wie Ronald Mac Donald (der z.B. reimt »affen wie afrob fliehn aus dem zoo und halten sich für mcs«) die schützende Aura eines Untergrund-MCs mit sich, der von einem Grossteil der Szene als authentisch empfunden wird.

Dass wir es bei den rassistischen Battlelyrics der hier zitierten Rapper nicht mit einer organisierten rechten Ideologie im HipHop zu tun haben, steht ausser Frage. Durch ihre neue deutsche Battlehärte tragen aber viele MCs dazu bei, dass Nazimetaphern und rassistische Klischees szenefähig und schliesslich Teil der Jugendsprache werden. Die unfassbare Naivität und Arglosigkeit der meisten Szenevertreter dieser Entwicklung gegenüber wirkt umso erschreckender, wenn man die Debatte verfolgt, die in nationalen Kreisen zu diesem Thema geführt wird. »Also ich meine Hip-Hop ist nicht wesentlich weniger undeutsch als Rock«, wird im »Nationalen Forum« argumentiert, »Die gesamte Rock-, Pop- und Was-weiss-ich-Musik basiert doch auf schwarzem Rhythm&Blues. Und selbst ‚Weiterentwicklungen’ wie Heavy-Metal oder Oi-Rock haben im Endeffekt schwarze Wurzeln, sind also nur dadurch ‚rechts-kompatibel’ geworden, weil man sie ’okkupiert’ hat.« Wer sich in Anbetracht solch differenzierter Hijackpläne von Seiten der Rechten immer noch auf die Behauptung zurückzieht, HipHop sei aufgrund seiner »schwarzen Wurzel« per se gegen rechte Vereinahmungsbestrebungen gefeit, der leistet einer unverantwortlichen Tatenlosigkeit Vorschub.

Zum Thema erscheint im Sommer diesen Jahres vom Autor und Murat Güngör im Hannibal Verlag das Buch »Fear of a Kanakplanet – HipHop zwischen Weltkultur und Nazirap«.

Der Beitrag erschien zuerst im Fachinformationsdienst Der Rechte Rand, Heft 75 (März/April 2002). Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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Dossier #5: Unsere Texte zum Thema beleuchten zum einen die rechten Tendenzen und deren Ausbreitung in den unterschiedlichen Musikszenen (Hip Hop und Dark Wave)

  1. Gegen rechten Einfluss auf Musik & Jugendkultur
  2. Rechter Einfluss auf Jugendmusik
    (Mario Ruoppolo)
  3. Musik von Rechts
    (Christian Dornbusch und Jan Raabe)
  4. Nationalisierung durch Musik
    (Martin Büsser)
  5. Neue Deutsche Battlehärte
    (Hannes Loh)
  6. Rechte Tendenzen in Wave und Gothic
    (Arne Gräfrath)
  7. Good Night White Pride
  8. Vernetzung in Sachsen
  9. No historical Backspin
  10. Grufties gegen Rechts
  11. Musikwettbewerbe gegen rechts
  12. Links, Books, Glossar