No historical Backspin

Um ein klares Statement gegen jegliche Form von Ausländerhass ging es vielen DJs und Produzenten der elektronischen Musikszene (vorwiegend Electro, Techno und House), als sie Mitte 2000 »no historical backspin« ins Leben riefen.

Das Startzeichen wurde mit der Veröffentlichung einer Namensliste in diversen Szenemagazinen gegeben, bei der Hunderte DJ’s und Produzenten mit ihrem Eintrag darin deutlich machten, dass sich auch ihre Szene gegen den alltäglichen Rassismus wendet. 2001 folgte eine grosse Tour durch Deutschland, bei der die DJs umsonst auflegten, sogar noch selber spendeten, die Clubs auf Miete verzichteten und die Gäste einen Spendenobolus abgaben. Auch T- Shirts mit dem »no historical backspin« Logo wurden zur Unterstützung der Initiative hergestellt. Die eingenommenen Gelder (75.000 DM) wurden sämtlich der Amadeu Antonio Stiftung(1) übergeben.

Dennoch muss festgestellt werden, dass der Widerhall in der elektronischen Musikszene auf diese Initiative relativ ernüchternd ist. Selbst Künstler der ersten Stunden wie Sven Väth oder Westbam sind der Meinung, dass nicht nur die Protagonisten auf Ausländerfeindlichkeit aufmerksam machen sollten: »Deshalb halte ich von diesen Aktionen wie ’no historical backspin’ auch nicht viel. Diese Leute machen sich für mich eher verdächtig, weil sie da als Oberlehrer auftreten, den Zeigefinger rausholen und sagen: ’Seid mal nicht so Leute.’ Dann ist das Ergebnis, dass man sich nur als Arschloch vom Establishment zeigt«, so Westbam.

Hier wird gleichzeitig auch auf ein anderes Problem hingewiesen: die Kommerzialisierung, die diese Szene in den 90er Jahren nicht nur erfahren, sondern auch angestrebt hat, erweist sich nun als Bumerang. Der ursprüngliche Geist des Techno »alle sind gleich, jeder kann Musik machen« ist schon lange passé. Im Gegenteil: es gibt eine klare Trennung zwischen den wenigen Stars und einer grossen Masse an Konsumenten.

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Dossier #5: Unsere Texte zum Thema beleuchten zum einen die rechten Tendenzen und deren Ausbreitung in den unterschiedlichen Musikszenen (Hip Hop und Dark Wave)

  1. Gegen rechten Einfluss auf Musik & Jugendkultur
  2. Rechter Einfluss auf Jugendmusik
    (Mario Ruoppolo)
  3. Musik von Rechts
    (Christian Dornbusch und Jan Raabe)
  4. Nationalisierung durch Musik
    (Martin Büsser)
  5. Neue Deutsche Battlehärte
    (Hannes Loh)
  6. Rechte Tendenzen in Wave und Gothic
    (Arne Gräfrath)
  7. Good Night White Pride
  8. Vernetzung in Sachsen
  9. No historical Backspin
  10. Grufties gegen Rechts
  11. Musikwettbewerbe gegen rechts
  12. Links, Books, Glossar