Interview mit dem Aktionskreis Frieden Leipzig

Seit wann besteht eure Gruppe/Initiative? Gab es einen konkreten Gründungsanlass?

Der »Aktionskreis Frieden« gründete sich im Oktober 2001, unmittelbar nach den Terroranschlägen des Elften September als absehbar wurde, dass ein Krieg gegen die vermeintlichen Hintermänner unmittelbar bevorstand. Personen aus unterschiedlichsten politischen Hintergründen vereinten sich in den Räumen der Rosalinde e.V. um Strategien zu entwickeln, wie man die Ablehnung weiter Teile der Bevölkerung gegen den Krieg auf die Straße bringt. Im Afghanistan-Krieg waren das noch wenige hundert Leute, im Kampf gegen den Krieg im Irak konnten bis zu 50.000 Menschen auf die Straße gebracht werden.

Worin bestehen die Schwerpunkte eurer Arbeit?

Da wir politisch sehr heterogen sind, arbeiten wir weniger inhaltlich. Vielmehr ist unsere Arbeit sehr aktionsorientiert. Die inhaltliche Auseinandersetzung findet in den Mitgliedsorganisationen des Bündnisses statt.

Mit welchen Aktionen und Mitteln bringt ihr euer Anliegen in die Öffentlichkeit? Könnt ihr ein Beispiel einer besonders wichtigen/erfolgreichen Aktion nennen?

Der Hauptschwerpunkt liegt bei den Montagsdemonstrationen durch Leipzig. Hier fanden sich während des Irak-Krieges Zehntausende zusammen um ihre Abscheu gegen den Krieg zu zeigen. Der Montag ist natürlich Leipziger Tradition, angelegt an den durch die Montagsdemonstrationen erreichten politischen Umschwung 1989.

Auf welche Probleme, Widersprüche und Fragen stoßt ihr bei eurer Arbeit?

Die Frage »Was soll denn das alles bringen?« stieß uns oft entgegen. Weltweit demonstrierten Millionen von Menschen monatelang gegen den Krieg und Bush und Blair ziehen die Sache trotzdem durch. Das war für viele, die an Demokratie glaubten, ein harter Schlag ins Gesicht. Es war schwer für viele, weiter zu machen. Sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen. Aber am Ende stand doch die Einsicht in die Notwendigkeit, dass es weitergehen muss. Denn jede Demonstration für den Frieden wird es schwerer machen, zukünftige Kriege zu legitimieren.

Mit welchen Projekten/ Initiativen arbeitet eure Gruppe zusammen? Gab es in den letzten Monaten neue Kontakte oder Zusammenarbeit (z.B. mit den Schülergruppen), die neue Perspektiven eröffnet haben oder engagierte Menschen zu euch brachten?*

Der Aktionskreis Frieden ist eine offene Arbeitsgemeinschaft. Jeder kann und soll mit uns neue Projekte planen. Beispielsweise kam eine Delegation von Schülern auf uns zu, die um Hilfe bei der Durchführung einer Kundgebung Leipziger Schülerinnen und Schüler bat. Dieser Bitte sind wir natürlich nachgekommen. Auch die Leipziger Antikriegszeitung war offen für alle. Jeder der Artikel veröffentlichen wollte, konnte das tun. Ohne Zensur standen so Artikel aus Antifa-Kreisen neben der Positionen der Leipziger SPD – was vielen ein Dorn im Auge war, uns aber sehr wichtig.

Wie beurteilt ihr die momentane Haltung der Bundesregierung? Was ist eure Kritik?

Natürlich haben wir das klare Nein zu einer Beteiligung von Bundeswehrsoldaten am Krieg gegen die amerikanische Bevölkerung sehr begrüßt. Trotzdem fand indirekte Unterstützung wie beispielsweise durch den Einsatz der AWACS-Flugzeuge statt, was wir kritisierten. Doch die Bundesregierung soll sich nicht als Friedensengel aufspielen. Hätte der Irak-Krieg wirtschaftlichen Nutzen für die Deutschen, wäre das Nein nicht zu erwarten gewesen.

Im Zusammenhang mit den deutschen KriegsgegnerInnen wird häufig von antiamerikanischen Vorurteilen gesprochen. Welche Einschätzung habt ihr zu den betreffenden Parolen und Äußerungen?

Die Friedensbewegung in Leipzig war nie antiamerikanisch. Es ging nicht darum, die USA als einzigen Schurkenstaat in einer Welt der Liebe und des Friedens darzustellen. Es ging konkret gegen die amerikanische Politik, gegen die konkreten Pläne der US-Regierung den Irak in Schutt und Asche zu legen. Überall auf der Welt fanden Massendemonstrationen statt. In Berlin und New York, in Leipzig und Washington. Das trennt uns nicht – das verbindet.

Kann eine Friedensbewegung auch Feinde und Feindbilder haben?

Es wäre ein Fehler an der Kritik von Personen stehen zubleiben. Politiker sind austauschbar, das politische Konzept was sie vertreten bleibt bestehen. Es muss darum gehen die politischen und wirtschaftlichen Gründe aufzuzeigen, die immer wieder zu Kriegen führen. Denn Krieg ist logische Konsequenz kapitalistischer Wirtschaft und keine Dummheit einzelner Politiker.

Traten bei euren Protesten auch rechte Jugendliche auf? Wenn ja: Wie wurde auf sie reagiert – wurde sich mit ihren Parolen auseinandergesetzt – nahmen sie an den Demonstrationen teil?

Wir hatten immer die Befürchtung dass sich Rechtsradikale an die Montagsdemonstrationen anschließen, wie es ja in anderen Städten passierte. In Leipzig blieb dies Gott sei Dank aus.
Nur einzelne bekannte Nazis wurden gesichtet, ohne dass diese ihre Gesinnung offen vertreten hätten. Beim einzigen Versuch NPD-Flugblätter zu verteilen, wurden zwei Jugendliche von den Demonstranten lautstark vertrieben. Friedlich und Gewaltfrei natürlich!

Welche Perspektiven seht ihr für die Protestbewegung nach Ende des Irakkrieges? Wie wird Eure weitere Arbeit aussehen?

Wir stehen in den Startlöchern. Sollte irgendwo auf dieser – unseren – Welt ein neuer Krieg im Namen des Feldzuges gegen den Terror beginnen, steht die Leipziger Bevölkerung bereit, ihren couragierten Widerstand zu zeigen. Dann werden wir hoffentlich zahlreicher, bunter und lauter sein als je zuvor.

Das Interview gab Daniel Gollasch – Gründungsmitglied des Aktionskreises und Herausgeber der Leipziger Antikriegszeitung.

Eine andere Sicht auf die Friedensdemonstrationen vermittelt das Resümee des »Leipziger Bündnis gegen den Krieg«. Sie schreiben über den Versuch mit einem Bündnis aus Leipziger linken Gruppen und Einzelpersonen und linken Inhalten Einfluss auf die Antikriegsproteste in der Messestadt zu nehmen.

Links von Leipziger Friedensinitiativen und antimilitaristischen Gruppen:

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