Hallenser Friedenskreis Interview

Seit wann besteht eure Gruppe/Initiative? Gab es einen konkreten Gründungsanlass?

Die Erfahrung der friedlichen Wende 1989 weckte bei vielen Menschen die Hoffnung, dass ein Deutschland ohne Militär möglich werden könnte. Diese Hoffnung führte 1990 in Halle Menschen aus verschiedenen Bürgerinitiativen zum Friedenskreis zusammen.

Heute sind wir im Friedenskreis Halle e.V. Menschen unterschiedlicher Weltanschauung, Religion, Nationalität und Parteizugehörigkeit. Wir verstehen Frieden nicht als Zustand, nicht als fernes Ziel und auch nicht nur als die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist für uns ein Weg zu einem partnerschaftlichen, gerechten und gewaltfreien Zusammenleben in Vielfalt, wodurch die Entfaltung und Freiheit des Einzelnen möglich wird. Die Gestaltung des Zusammenlebens ist immer wieder Neuland. Deshalb versuchen wir neue Wege zu suchen, zu finden und zu vermitteln, diese dabei aber auch zu hinterfragen. So engagieren wir uns in den Bereichen Bildungsarbeit, friedenspolitische Arbeit und in Projekten ziviler Konfliktbearbeitung im In- und Ausland.

Unsere Arbeit wird durch haupt- und ehrenamtliche Mitarbeit und die Unterstützung privater Spender und öffentlicher Zuschüsse getragen.

Worin bestehen die Schwerpunkte eurer Arbeit?

Der Friedenskreis Halle engagiert sich als Teil der Friedensbewegung zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen, Fragen und Problemen. Darüber hinaus wollen wir mit langfristig angelegter konstruktiver Friedensarbeit zu einer friedlichen und gerechten Gesellschaft beitragen.

Unsere derzeitigen Angebote und Projekte:

  • Mitarbeit bei Aktionen und Kampagnen gegen Militarisierung, Rüstung und Krieg
  • Vorträge und Seminare zu aktuellen friedenspolitischen Themen
  • Seminare und Bildungsangebote in den Bereichen Kommunikation, Konfliktbearbeitung, Mediation, Umgang mit Gewalt und Zivilcourage
  • Workcamps, Jugendbegegnungen und Freiwilligendienste in den Balkanländern
  • Zivile Konfliktbearbeitung durch den Aufbau eines Bildungs- und Begegnungszentrums in Jajce/Bosnien
  • Beratung zu Wehrpflicht und Kriegsdienstverweigerung
  • Koordination der Initiative Zivilcourage – Bündnis für Gewaltlosigkeit, Demokratie und Toleranz in Halle
  • Koordination des halleschen Aktionsbündnis für Frieden
  • Betrieb und Ausbau der Friedensbibliothek Halle
  • Servicestelle für MultiplikatorInnen der internationalen, interkulturellen und politischen Jugendbildung (entimon-Projekt)
  • Vermittlungsstelle für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung (civitas-Projekt)

Mit welchen Aktionen und Mitteln bringt ihr euer Anliegen in die Öffentlichkeit? Könnt ihr ein Beispiel einer besonders wichtigen/erfolgreichen Aktion nennen?*

Über unsere Arbeit informieren wir im vierteljährlich erscheinenden FK-aktuell, unter , über verschiedene Emailverteiler, mit Informationsständen, Veranstaltungen und Seminaren, Aktionen sowie Medienarbeit. Wir sind offen für alle Interessenten und weitere ehrenamtliche MitarbeiterInnen.

Eine von uns mit Kooperationspartnern durchgeführte Fortbildung für MultiplikatorInnen zum Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen und Fremdenfeindlichkeit und die breite Beteiligung an den Protestaktionen gegen den Irakkrieg waren für den Friedenskreis Halle zwei der wichtigsten und erfolgreichsten Ereignisse in unserer Arbeit des letzten halben Jahres.

Die Fortbildung war in verschiedener Hinsicht etwas Besonderes:

  • Es ist der erste Kurs, der auf Initiative des Landesjugendhilfeausschusses in Kooperation einer staatlichen Stelle, dem Landesjugendamt Sachsen-Anhalt, einem Friedensdienst, dem Friedenskreis Halle e.V. und einem lokalen Träger der Jugendsozialarbeit, der Jugendwerkstatt Bauhof, stattgefunden hat.
  • Es ist der erste Kurs, der das Konzept eines Grundkurses für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung, wie es von den Friedensdiensten innerhalb der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V. (AGDF) entwickelt wurde, auch ein Trainingskonzept aus Israel, Betzavta – Miteinander, integriert hat.
  • Es ist der erste Kurs, der speziell diese beiden Konzepte nutzte, um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Jugendarbeit im Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen und Fremdenfeindlichkeit zu qualifizieren.

Nach einzelnen Aktionen im Frühjahr und Sommer 2002 (z.B. zum Deutschlandbesuch des Präsidenten Bush im Mai) mit welchen wir auf den drohenden Krieg gegen den Irak aufmerksam gemacht haben, fand sich im November des vergangenen Jahres unter Koordination des Friedenskreises das hallesche Aktionsbündnis für Frieden zusammen. Es vereint ca. 30 Vertreter von unterschiedlichen Organisationen, Gruppen, Parteien sowie engagierte Einzelpersonen. Im Dezember wurde eine Aktionswoche für den Frieden mit Unterschriftensammlung und Mahnwache gestartet. Ab Januar 2003 rief das Aktionsbündnis für jeden Montag, im Anschluss an das traditionelle Friedensgebet in der Marktkirche, zur Friedensdemonstration durch die hallesche Innenstadt auf. Von Woche zu Woche vergrößerte sich die Zahl der DemonstrantInnen. Die breite Beteiligung quer durch alle Alters- und Sozialschichten sowie die große Resonanz der Aktivitäten in den Medien war für uns neu und beeindruckend. Als besonders positiv, ist ebenso der Beginn der Proteste vor und nicht erst mit Ausbruch des Krieges hervorzuheben.

Problematisch waren wiederholte Versuche rechtsnationaler Jugendlicher die Friedensdemonstrationen als Podium für nationalistischen, antisemitische und antiamerikanische Parolen und Positionen zu nutzen. Im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten des Versammlungsrechtes reagierten wir mit öffentlichen Distanzierungen, Lautsprecherdurchsagen, Transparenten und dem Aufruf sich ihnen gewaltfrei aber couragiert entgegen zu treten. Mit dem Beginn des Krieges blieben die Rechten den Demonstrationen fern.

Die bestehenden Ressourcen, Strukturen und Kontakte (z.B. dauerhafte Ansprechpartner im Büro, Presseverteiler, Drucktechnik) des Friedenskreises waren sehr hilfreich und Grundlage für die erfolgreichen Aktionen sowie für die Unterstützung vieler Engagierter. Doch gestalte die Bewältigung der zusätzlichen Aktivitäten über den lagen Zeitraum vor dem Hintergrund der laufenden Projekte des Friedenskreises zum Teil sehr Kräfte zehrend.

Zurzeit finden keine regelmäßigen Treffen des Aktionsbündnisses statt. Auf Grundlage eines erarbeiteten Grundverständnisses können und sollen die Aktivitäten wieder aufgenommen werden. Aus der Zusammenarbeit im Aktionsbündnis haben sie für uns neue Kontakte insbesondere auch zu Schülerinnen und Schülern und Migrantenvereinigungen sowie Kooperationen für in den vergangenen Wochen organisierten und zukünftig geplanten Informationen- und Diskussionsveranstaltungen ergeben. In der Arbeitsgruppe »lokale friedenspolitische Arbeit« des Friedenskreises sind wir zurzeit dabei, neue Aktionsformen und Projekte zu entwickeln. Doch ist das Interesse der Bevölkerung und Medien für Themen wie aktuelle Krieg und Konflikte weltweit, die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien der deutschen Bundesregierung, wieder steigende Rüstungsausgaben, die aktuell auf der Tagesordnung stehen zur Zeit wieder schwerer zu erreichen.

Wir sind der Überzeugung, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von sowohl langfristiger konstruktiver Friedensarbeit, der Notwendigkeit eines radikalen Politikwechsels und der Arbeit an wirklichen Alternativen zu Krieg, Gewalt und Militär als auch die Bereitschaft des Engagements hierfür mit den Protestaktionen gegen den Irakkrieg gestärkt worden sind.

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