D-A-S-H Dossier #15: Einreise und Zuwanderung in Deutschland

Das so genannte Zuwanderungsgesetz wurde in der Öffentlichkeit heiß diskutiert, oft mit rassistischen Untertönen. Beispielsweise wurde immer wieder das Bild der MigrantInnen, die ihre Arbeitskraft billig anbieten und damit Arbeit für Deutsche gefährden, heraufbeschworen. In der Bevölkerung wurde Stimmung gemacht und vor »offenen Grenzen« gewarnt. Gleichzeitig wiesen VertreterInnen der Wirtschaft darauf hin, dass hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland gebraucht werden. Die Regierungskoalition aus SPD und Grünen hatte sich vorgenommen, das Ausländerrecht grundlegend zu reformieren und Deutschland offiziell als Einwanderungsland deklariert. Diese Positionen beschreiben die Eckpunkte der öffentlichen Diskussion im Vorfeld des neuen Gesetzentwurfs. Als das Gesetz dann verabschiedet wurde, blieb eine vernehmbare Diskussion aus, von den großen Reformplänen war nicht mehr viel übrig geblieben. Alle Parteien hatten sich auf einen Text geeinigt und lediglich antirassistische Gruppen kritisierten das Gesetz.

Dossier #15: Eckpunkte der Diskussion um das neue Zuwanderungsgesetz für Deutschland, "offene Grenzen", die Visa-Affäre, Einreise und Einwanderung in Europa

  1. Einreise und Zuwanderung in Deutschland
  2. Deutsche Einwanderungspolitik
    (Anna Pollmann)
  3. Das »neue« Einwanderungsgesetz
    (Doris Müller)
  4. Interview mit Volker Maria Hügel
  5. Neuregelung der jüdischen Einwanderung
    (Daniela Schmohl)
  6. »Hier geblieben – Es gibt kein Weg zurück!«
  7. The VOICE Refugee Forum in Deutschland
  8. MOV!NG ON
    (Zala T. S. Unkmeir)
  9. Weiterführende Materialien

Doch die Diskussion um »zu offene Grenzen« und eine vermeintlich daraus folgende Gefahr für die deutsche Gesellschaft beschränkt(e) sich nicht auf das Gesetz. Die EU-Osterweiterung 2003 bot eine willkommene Grundlage um die Ostgrenze der BRD zu thematisieren. Nicht nur, dass für polnische EU-BürgerInnen andere Regelungen gelten als für WesteuropäerInnen [besonders betrifft dies die Arbeitsbeschränkungen], auch musste Polen die eigene Ostgrenze zur Ukraine verschärfen, um Mitglied der EU zu werden; denn eine Gefahr wird hauptsächlich im Osten vermutet.

In Bezug auf Gütertransfer also den Im- und Export von Produkten werden Grenzen immer mehr geöffnet, für Personen gilt dies aber nicht. An allen EU-Außengrenzen herrscht ein rigides Grenzregime, das dafür sorgt, dass nur erwünschte Personen einreisen, ganz gleich ob sie einwandern oder Europa lediglich besuchen wollen. Für welchen politischen »Sprengstoff« Grenzen nach wie vor in Deutschland sorgen, wurde in diesem Jahr anhand der »Visa-Affäre« deutlich. Hier ging es um die Ukraine. Die rot-grünen Bestimmungen zur Vergabe von Visa an UkrainerInnen waren der Anlass für eine Kampagne nicht nur gegen die Regierungskoalition und besonders Außenminister Fischer, sondern auch gegen eine Öffnung der Ostgrenzen überhaupt. Die Diskussion um Vereinfachung von Einreisebestimmungen wird momentan sehr repressiv geführt. Die wenigen Erleichterungen, die rot-grün vorgenommen hatte, werden als Unterstützung krimineller Handlungen interpretiert (Frauenhandel, Schleusertätigkeit, illegale Arbeitsaufnahme). Die so genannte Visa-Affäre und der vom Bundestag eingesetzte Untersuchungsausschuss bestimmten die Medien und wurden zum Fernsehereignis.(1) Bis Gerhard Schröder überraschend Neuwahlen angekündigte und damit das Thema Migration aus den Schlagzeilen verdrängte. Die Visa-Affäre hat gezeigt, dass Einreise und Einwanderung nach wie vor für politische Ambitionen genutzt werden und Diskussionen um diese Themen in der Bevölkerung und den Medien mit rassistischen Untertönen geführt werden.

(1) Zum ersten Mal wurden die Anhörungen eines Untersuchungsausschusses live im Fernsehen übertragen. Der Nachrichtensender Phoenix und das Parlamentsfernsehen Deutscher Bundestag. Weitere Informationen zur Visa-Affäre gibt es bei der Tagesschau-Chronik und in der Wikipedia.

Mit diesem Dossier wollen wir den aktuellen Stand der Auseinandersetzung um Einreise und Einwanderung, um Grenze und Migration, diskutieren.

Der erste Artikel Deutsche Einwanderungspolitik von Anna Polmann liefert einen Überblick über die Geschichte deutscher Einwanderungspolitik und umreißt den Rahmen, der zum neuen Zuwanderungsgesetz führte. Im zweiten Artikel Das »neue« Einwanderungsgesetz. Was besagt es? diskutiert Doris Müller das neue Gesetz, das bezeichnenderweise »Gesetz zur Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung« heißt, und kritisiert, dass es sich hierbei erneut um eine Verschärfung der Asylbestimmungen handelt.

Die konkreten Auswirkungen des neuen Zuwanderungsgesetzes für MigrantInnen und Asylsuchende in Deutschland erläutert Volker Maria Hügel in seinem Interview. Volker Maria Hügel arbeitet bei Pro Asyl und schult unter anderem MitarbeiterInnen von Flüchtlingsinitiativen und Beratungsstellen zum Zuwanderungsgesetz.

Zum ersten Mal seit dem Ende des Nationalsozialismus soll es Beschränkungen für jüdische MigrantInnen geben, die nach Deutschland einreisen wollen. Die Rede ist von jüdischen Kontingentflüchtlingen. Warum dies gefordert wird und was die jüdische Gemeinde dazu sagt, erörtert Daniela Schmohl in dem Artikel Die jüdische Einwanderung nach Deutschland und ihre Neuregelung.

Nach diesen thematischen Einführungen stellen sich antirassistische Projekte und Gruppen vor, die in Deutschland gegen die Grenz- und Asylpolitik Politik machen. Das Projekt HIER GEBLIEBEN! vom Flüchtlingsrat Berlin, der GEW Berlin und dem GRIPS Theater beschäftigt sich mit Kindern und Jugendlichen, die von Abschiebung bedroht sind. Der kurzen Darstellung des Projektes folgt eine Übersicht drohender bzw. vollzogener Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen in Berlin.

The Voice eine Dachorganisation für migrantische Politikgruppen stellen sich ebenfalls vor und berichten über den Stand der Anti-Residenzpflichtkampagne. (2)

(2) Siehe dazu das D-A-S-H Dossier #6 zum Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt

Von August bis September wurde in Berlin die Ausstellung Mov!ing On gezeigt. Verschiedene KünstlerInnen beschäftigen sich mit »Handlungen an Grenzen und Strategien zum antirassistischen Handeln«. Zala Unkmeir, selbst ausstellende Künstlerin von Mov!ing On, berichtet über die Ausstellung und das zugehörige Buch.

 

Dossier #15: Eckpunkte der Diskussion um das neue Zuwanderungsgesetz für Deutschland, "offene Grenzen", die Visa-Affäre, Einreise und Einwanderung in Europa

  1. Einreise und Zuwanderung in Deutschland
  2. Deutsche Einwanderungspolitik
    (Anna Pollmann)
  3. Das »neue« Einwanderungsgesetz
    (Doris Müller)
  4. Interview mit Volker Maria Hügel
  5. Neuregelung der jüdischen Einwanderung
    (Daniela Schmohl)
  6. »Hier geblieben – Es gibt kein Weg zurück!«
  7. The VOICE Refugee Forum in Deutschland
  8. MOV!NG ON
    (Zala T. S. Unkmeir)
  9. Weiterführende Materialien

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