Rage against Abschiebung

Rock gegen rechts? »Die Polit-Sache ist zur Zeit total abgenudelt, die Toten Hosen geben Benefizkonzerte gegen Rechts. Man müsste einen total neuen Weg finden, vielleicht einen mit Humor. Aber das ist sehr schwierig«, meint die Klangkünstlerin Barbara Morgenstern. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – nahm die Berlinerin, die für ihr letztes Album »Fjorden« von der Independent-Musikpresse hochgelobt wird, an Münchner Festival Rage against Abschiebung teil.

Seit 1996 veranstaltet der Bayrische Flüchtlingsrat alljährlich das politisch radikale Pop-Festival. Das Interesse an dem Konzert ist beständig gewachsen: 1300 Besucherinnen und Besucher sahen und hörten am 2. Oktober 2001 im Münchner »Backstage« ein ambitioniert besetztes Programm. Mit den Gewinnen finanziert die Organisation, die sich gegen Abschiebungen einsetzt und einen in Fachkreisen geschätzten asylpolitischen Newsletter herausgibt, ihre Arbeit.

Im Anschluss an das Festival veranstaltete der Flüchtlingsrat ein Expertinnen- und Experten-Hearing zur Lage minderjähriger Flüchtlinge, die von den geplanten Änderungen in der Einwanderungsgesetzgebung besonders hart betroffen sind. Die Veranstalterinnen und Veranstalter sehen das Konzert aber nicht allein als Finanz-Spritze für solche politischen Aktionen. »Obwohl sich die Lage der Flüchtlinge beständig verschlechtert, ist das Thema nicht so sehr in den Medien«, erklärt Mathias Weinzierl, der das Festival 1995 mit initiierte, »deshalb ist die Öffentlichkeit, die wir auf diesem Weg erreichen, sehr wichtig.«



Der Flüchtlingsrat nutzte das Medieninteresse, um das Einwanderungsgesetz und das Antiterror-Paket von Innenminister Otto Schily einer scharfen Kritik zu unterziehen. Eine Sprecherin beschuldigte den Minister einer »verhängnisvollen Stimmungsmache gegen Flüchtlinge« und wandte sich gegen die Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen in Deutschland. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler unterdessen sind geteilter Meinung ob der politischen Wirkungsmacht von Benefizkonzerten. Die Berliner Independent-Band Stella betont den Statement-Charakter ihres Auftritts: »Gerade jetzt nach dem 11. September, da so viel von Innerer Sicherheit gesprochen wird«, müsse man Position beziehen. Auch für den inzwischen als Neoangin bekannte Comic-Star Jim Avignon ist die Teilnahme eine »Selbstverständlichkeit«, er glaubt aber nicht daran, dass Kultur Menschen verändern kann, sondern will einfach dazu beitragen, »dass Geld für eine vernünftige Sache reinkommt.«

Ohne das ehrenamtliche Engagement von Asylgruppen und Flüchtlingsräten wäre der Öffentlichkeit sicherlich weit weniger bekannt, welche Menschenrechtsverletzungen bei Abschiebungen und in Abschiebehaft vor sich gehen. Trotzdem geschieht diese Arbeit zumeist abseits der medialen Öffentlichkeit und unter prekären finanziellen Bedingungen. Der Bayerische Flüchtlingsrat will in Zusammenarbeit mit dem Internetprojekt D-A-S-H im Jahr 2002 seine gesammelten Informationen auf einer eigenen Website zur Verfügung stellen, wo auch das vergangene und alle künftigen Festivals per Video-Streaming zu sehen sein sollen. Eine professionelle Webpräsenz und Festivals bekannter Bands sind sicher nicht die schlechtesten Ideen, eine Arbeit zu unterstützen, die im Zuge der Verschärfungen im Einwanderungsrecht nötiger sein wird denn je.

http://www.bayerischer-fluechtlingsrat.de/