Eine Selbstvorstellung des Middle East Media Research Institute (MEMRI)

von Mirjam Gläser und Goetz Nordbruch

Ziele und Arbeitsschwerpunkte von MEMRI

Das Middle East Media Research Institute (MEMRI) hat sich zur Aufgabe gesetzt, mit Übersetzungen und Auswertungen von Medien des Nahen Ostens einen Einblick in aktuelle Entwicklungen und Diskussionen in der Region zu geben. MEMRI wurde 1998 mit Sitz in Washington gegründet. In den letzten Jahren öffneten weitere Büros in London, Jerusalem und Berlin, die sich per Internet und mit Workshops und Diskussionsveranstaltungen an Journalisten, Wissenschaftler, Politiker aber auch an andere Interessierte wenden.

Ziel unserer Arbeit ist es, eine Auseinandersetzung in der westlichen Öffentlichkeit mit Meinungen und Wahrnehmungen, die im Nahen Osten vertreten werden, zu ermöglichen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf arabischen und iranischen Medien, da gerade in diesen Ländern nur wenige Zeitungen oder Fernsehsender in englischer oder französischer Sprache erscheinen. Mit der Übersetzung von Artikeln beispielsweise aus der ägyptischen regierungsnahen Wochenzeitung Ruz al-Yussif oder auch aus der oppositionellen Tageszeitung al-Ahali sollen Argumente und Meinungen sichtbar werden, die in Ägypten weit verbreitet sind, in der deutschen, englischen oder US-amerikanischen Öffentlichkeit aber aufgrund des Sprachproblems kaum wahrgenommen werden. Unser Interesse ist es dabei, ein möglichst breites Spektrum von Meinungen darzustellen. Denn trotz der verhältnismäßig starken Einflussnahme der Zensurbehörden in den meisten Ländern der Region bieten Zeitungen wie al-Ahram oder insbesondere Zeitungen wie al-Hayat, die in London oder Paris erscheinen, die aber in arabischen Ländern viel gelesen werden, eine große Vielfalt an Meinungen und Themen.

Die inhaltlichen Schwerpunkte, die wir bei unserer Arbeit setzen, beziehen sich zu einem großen Teil auf Themen, die das Verhältnis zwischen dem Nahen Osten und Europa und den USA ansprechen. Mit unseren deutschsprachigen Übersetzungen versuchen wir Artikel zur Verfügung zu stellen, die sich in der einen oder anderen Weise mit den deutsch-arabischen Beziehungen befassen: arabische Berichte über Bücher, die in Deutschland diskutiert werden, z.B. von Günther Grass, arabische Kommentare über die Möllemann-Karsli-Debatte, arabische Einschätzungen der Gefahr des Rechtsextremismus in Deutschland oder auch ein Bericht des Fernsehsenders al-Jazeera über arabische Häftlinge im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen.

Ein anderer Schwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit extremistischen, hauptsächlich islamistischen Bewegungen im Nahen Osten. Dabei versuchen wir einerseits, Artikel zu dokumentieren, in denen sich islamistische Autoren äußern. Anderseits ist es uns wichtig, die Debatten, die sich um solche Meinungen in den Medien entwickeln, nachzuzeichnen. So lag ein Schwerpunkt in den letzten Monaten darauf, Artikel mit unterschiedlichsten Positionen bezüglich der Selbstmordanschläge islamistischer Gruppen u. a. in Israel und Palästina zu übersetzen. Trotz der Unterstützung, die Gruppierungen wie die Hamas in arabischen Ländern erfahren, werden in diesen Diskussionen zahlreiche Stimmen laut, die das Vorgehen und die Ziele der Hamas aus verschiedensten Gründen kritisieren.

MEMRI-Retrospektive

Im Rückblick auf das erste Jahr des Berliner Büros fällt es schwer, ein eindeutiges Urteil über den Erfolg unserer Arbeit zu fällen. Das Interesse an Übersetzungen aus der Region ist größer als jemals zuvor, was sich auch an den Zahlen unserer Abonnenten und der Besucher unserer Veranstaltungen ablesen lässt. Dennoch befindet sich auch unsere Arbeit in einem Dilemma, von dem die Berichterstattung über den Nahen Osten in Deutschland allgemein geprägt ist. MEMRI ist in den letzten Monaten wiederholt vorgeworfen worden, mit seinen Übersetzungen ein einseitiges, negatives Bild der arabischen Welt zu verbreiten, indem es extremistische Stimmen aus arabischen Medien übersetzt und veröffentlicht. Häufig gingen diese Vorwürfe mit Vermutungen einher, wir würden mit unserer Arbeit pro-israelische Propaganda leisten. Gerade weil wir uns bemühen, eben keineswegs nur problematische Positionen, sondern die Debatten um diese Positionen wiederzugeben, in denen sowohl Befürworter als auch Kritiker zu Wort kommen, sind wir daher immer wieder gezwungen, die Auswahl unserer Texte zu überdenken und nach Wegen zu suchen, wie man einer solchen Wahrnehmung unserer Artikel als einseitig entgegenwirkt. Interessant ist es dabei für uns, dass sich dieses Problem auch in der Auswahl unserer Texte durch die verschiedenen Zeitungen wiederspiegelt. Während sich Zeitungen wie die Tageszeitung (taz) für Artikel interessieren, in denen sich moderate Autoren beispielsweise aus den palästinensischen Autonomiegebieten zu Wort melden, greifen konservative Zeitungen gerade Übersetzungen auf, in denen die Gefahren der islamistischen Ideologie zum Ausdruck kommen.

Unsere Übersetzungen aus arabischen Medien stehen dabei scheinbar zwangsläufig auch im Zusammenhang mit hiesigen Diskussionen um Einwanderung und die Situation von Muslimen in Deutschland. Angesichts des weit verbreiteten Alltagsrassismus und insbesondere angesichts der allgemeinen Stimmung nach den Anschlägen vom 11. September laufen kritische Beiträge über Entwicklungen in der arabisch-islamischen Welt daher schnell Gefahr, Stereotypen und Ressentiments zu verstärken.

Ebenso wie im Jerusalemer Büro haben wir uns daher verstärkt darum bemüht, öffentliche Veranstaltungen zu organisieren, bei denen Referenten aus der Region über die dortigen Entwicklungen informieren, um damit auch eine direkte Auseinandersetzung mit dortigen Meinungen und Wahrnehmungen zu ermöglichen. Für unsere Veranstaltungen konnten wir bisher Journalisten, Wissenschaftler und Schriftsteller aus Ägypten, Palästina, Israel, dem Iran, Afghanistan und Syrien gewinnen. Neben den aktuellen Studentenprotesten im Iran standen dabei zuletzt die Auseinandersetzungen um den Irak im Vordergrund. Zusammen mit verschiedenen anderen Einrichtungen, beispielsweise dem journalist.network, der Jungle World oder auch mit Instituten wie dem Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin wollen wir auch in den kommenden Monaten ähnliche Veranstaltungen organisieren.

Middle East Media Research Institut
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